Sich selbst verzeihen: in 5 klaren Schritten

Einen Groll gegen sich selbst zu hegen, immer wieder gedanklich in die Vergangenheit einzutauchen und die Situation wieder und wieder zu erleben und sich nicht verzeihen können, das ist ein Garant dafür, sich schlecht zu fühlen und unglücklich zu sein.

Doch Fehler zu machen ist nicht nur menschlich, sondern gut.

Warum das so ist und wie Du Dir selbst verzeihen kannst, dass erfährst Du in den folgenden Zeilen.


Inhalt des Artikels:
Sich selbst verzeihen: warum Du das nicht darfst
Warum Fehler machen gut ist
Aber was ist mit den „ganz schlimmen Dingen“?
Wie Du Dir selbst verzeihst
1. Gestehe Dir den Fehler/ das Problem ein
2. Sehe Deine guten Seiten
3. Schreib’s auf
4. Sei gut zu Dir selbst
5. Komme in der Gegenwart an und blicke in die Zukunft
Zusammenfassung


Sich selbst verzeihen: warum Du das nicht darfst

Warum sollte man sich nicht selbst verzeihen dürfen?

Dazu gibt es eine gute Erklärung. Schau Dir mal an, in welcher Gesellschaft Du aufgewachsen bist:

Die Kirche beginnt gleich mal mit der Ursünde. Du hast also schon mal Schuld! Einfach so.

Und dann lernen wir noch Sätze wie:

„Strafe muss sein.“

„Du hast gesündigt.“

o. ä.

In unserer Gesellschaft wird ein „falsches Verhalten“ bestraft. Es wird als Negativ angesehen und wer einen Fehler macht bekommt Schuld.

VergebungSchuldgefühle und Strafen sind deswegen eng mit Fehlern verknüpft. In der Schule lernen wir: Alles, was wir falsch machen wird rot angestrichen. Und Rot ist schlecht. Du hast viel Rot auf Deinem Papier: Du bist schlecht und schuldig.

Schuldgefühle entstehen.

Dieses Muster übernehmen wir dann ganz automatisch. Da schleicht sich schnell der Glaube ein:

„Wenn ich etwas falsch mache, bin ich schuldig und muss bestraft werden.“

Die Verzeihung ist da erst mal fern. Die kommt erst später. Schließlich muss nach diesem Weltbild erst noch Sühne geleistet werden (also keine Verzeihung ohne Strafe).

Wenn Du Dir also selbst Verzeihen willst, dann löse Dich von diesem Weltbild!

Solange Du nämlich unbewusst denkst, Du gehörst für Dein Fehlverhalten bestraft, solange wirst Du Dir Schuld aufladen und Dich somit bestrafen.

Warum Fehler machen gut ist

Ja, es gibt Fehler, die dürfen gemacht werden.

Und nein, man muss nicht alles falsch machen.

Es ist so: wer kein Risiko eingeht, sitzt ganz tief drin in seiner Komfortzone und versucht immer bloß alles richtig zu machen.

Und wenn Du Dir Menschen anschaust, die etwas Großes aufgebaut oder geleistet haben im Leben, wirst Du immer feststellen, dass diese Menschen mehr als einmal gescheitert sind. Sie haben Fehler gemacht.

Um ein paar Beispiele zu nennen: Steve Jobs, Die Beatles, Abraham Lincoln, Arnold Schwarzenegger, Richard Branson, Elon Musk oder Oliver Stone.

Fehler zu machen, zu scheitern und „falsche“ Entscheidungen zu treffen ist nichts per se Schlechtes.

verzeihen könnenIm Gegenteil: Wer etwas falsch macht, kann dazu lernen. Wer etwas immer richtig macht, nicht.

Wer eine Entscheidung trifft, die nicht zu dem gewünschten Ergebnis führt, hat eine neue Erfahrung gemacht. Er hat etwas dazu gelernt. Und das ist gut!

Wichtig ist dann der Lerneffekt: Was kann ich das nächste Mal anders machen?

Hör also auf, Dich für Deine Fehler zu verurteilen. Du weißt doch hinterher nur, dass es ein Fehler war, weil Du ihn gemacht hast. Hättest Du ihn nicht gemacht, dann wärst heute auch nicht schlauer.

Und viele dieser „Alltagsselbstverurteilungen“ rühren genau daher. Das sind dann schnell Sätze im Kopf, wie:

„Oh man, hätte ich das doch mal anders gemacht.“

„Man bin ich blöd. Wie kann man nur so bescheuert sein.“

Usw.

Diese zwei Eckpunkte sind ganz wichtig, um Dir selbst leichter zu verzeihen.

Ich fasse zusammen:

1. Erlaube Dir, Fehler zu machen (Du musst dafür nicht bestraft werden).

2. Aus Fehlern kannst Du lernen und das ist gut.

Wenn Du Dich daran hältst, musst Du Dir viel weniger selbst verzeihen, denn Du wirst Dich schon von Anfang an weniger selbst verurteilen.

Aber was ist mit den „ganz schlimmen Dingen“?

Ok, ok, wer eine Prüfung versiebt, kann das schnell wieder abschließen (und genau dafür helfen ja auch die obigen Erläuterungen).

Dann gibt es da natürlich noch die Extreme: Wenn ein wirklich großer Schaden bei Menschen entstanden ist.

Da ist „Fehler machen ist gut“ sehr fehl am Platz.

Da geht es um ganz andere Dinge.

Aber auch hier gilt: Wenn Du einen Fehler gemacht hast, der evtl. großes Leid mit sich gebracht hat, dann wird es nicht besser, wenn Du selbst leidest.

Wenn Du Dich jahrelang mit Schuldgefühlen plagst (Dich also selbst bestrafst), ist damit niemandem geholfen!

Hier gilt wieder der erste Punkt: Durch Strafe wird die Schuld nicht weichen. Du brauchst keine Strafe! Du kannst Dir einfach so selbst verzeihen.

Und dabei ist ganz wichtig: Zu verzeihen bedeutet nicht, etwas gut zu heißen!

Das denken viele unbewusst:

„Wenn ich mir das verzeihe, dann relativiere ich die Schwere dieses Missgeschicks.“

Das ist aber nicht wahr. Eine schlimme Sache wird nicht besser, wenn Du Dich schuldig fühlst. Und wenn Du Dir selbst verzeihst, geht es Dir besser. Trotzdem kannst Du dem, wofür Du Dir verzeihst, noch die angemessene Würde entgegenbringen.

Wie Du Dir selbst verzeihst

Du hast entweder etwas Schlimmes getan oder verurteilst Dich für jeden noch so kleinen Fehler?

Mit den folgenden Schritten kannst Du Dir selbst verzeihen.

1. Gestehe Dir den Fehler/ das Problem ein

Das ist die Grundvoraussetzung, wenn es ums Verzeihen geht. Wer den Fehler oder das Problem nicht sieht, wird daran auch nichts ändern können.

Das ist wie mit einem Süchtigen. Wenn er sich nicht eingesteht, dass er süchtig ist, kann er daran auch nichts ändern. Das ist unmöglich.

Wenn Du Dich also (unbewusst) für etwas selbst verurteilst, gestehe Dir ein, dass Du etwas falsch gemacht hast.

2. Sehe Deine guten Seiten

Wie die Expertin auf diesem Gebiet Prof. Dr. Luise Reddemann sagt, ist es ganz wichtig, sich selbst als Ganzes wahrzunehmen.

sich selbst vergebenDas bedeutet, wenn man sich eingesteht einen Fehler gemacht zu haben, soll man sich nicht selbst als Person verurteilen, sondern zeitgleich auch die guten Seiten an einem selbst sehen.

Für Dich heißt das: Wenn Du etwas falsch machst und merkst, wie Du anfängst, Dich dafür zu verurteilen, schau Dir ganz bewusst und fokussiert Deine Stärken und positiven Seiten an Dir an.

Sag zu Dir selbst Dinge wie: „OK, jetzt habe ich einen Fehler gemacht. Aber trotzdem bin ich sehr liebevoll und tolerant und kann gut mit Menschen umgehen.“

3. Schreib’s auf

Wenn Du Dir selbst verzeihen möchtest, dann mach es schriftlich. Schreibe Dir selbst einen Brief, in dem Du nochmal alles raus lässt.

Und dann verzeihe Dir selbst und lass diese Geschichte hinter Dir.

4. Sei gut zu Dir selbst

Und wenn Du Dir selbst verziehen hast, sei gut zu Dir selbst. Tröste Dich selbst.

Gehe so mit Dir um, als würdest jemand anderen trösten.

5. Komme in der Gegenwart an und blicke in die Zukunft

Es ist wichtig, die Vergangenheit ruhen zu lassen. Denn wenn Du die ganze Zeit gedanklich an der Vergangenheit festhältst und Dir womöglich Schuldgefühle wegen etwas längst vergangenem machst, schadest Du Dir nur selbst (erinnere Dich: Du brauchst keine Bestrafung. Du kannst Dir verzeihen).

Lass los und komme wieder in der Gegenwart an. Blicke in die Zukunft und schau, wie Du das Beste daraus machen kannst.

Wenn Du glaubst, Du dürftest nie wieder glücklich werden, wenn etwas Schlimmes passiert ist, ist das falsch!

Du kannst in Würde mit der Vergangenheit abschließen und Dich voll Freude der Zukunft zuwenden.

Zusammenfassung

Wenn Du etwas Schlimmes getan hast, dann ist das passiert. Punkt. Du hast die Wahl, ob Du Dich jetzt für den Rest Deines Lebens quälen möchtest und mit Schuldgefühlen umherläufst oder ob Du Dir die Chance gibst, Dir selbst zu verzeihen und das Ereignis trotzdem zu würdigen.

Lass alte Fehler los, verzeihe Dir selbst. Du bist die größte Bereicherung für die Menschheit, wenn Du ein glückliches Leben führst!

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Vanessa - 16. September 2016

Woran merke ich denn, das es geklappt hat? Das ich mir selbst verzeihen habe? Ich habe vor 7 Jahren eine behinderte Tochter bekommen. In den ersten 5 Stunden nach der Diagnose (sie war da 14 Tage alt) kam mir plötzlich und unumstößlich der Gedanke: Hättest Du die Wahl- Du hättest abgetrieben.
NOCH IM selben Moment hab ich mich vor mir selbst erschrocken. Wie kannst du nur so was denken! Später hab ich es vor mir entschuldigt. Versucht zu vergessen, mein bestes zu geben, das es meiner Tochter gut geht. Trotzdem hat es mich scheinbar nicht losgelassen, so dass ich in der Therapie ( wegen depressionen) jetzt nach 7 Jahren wieder merke, wie viel schuld ich dafür empfinde. Jetzt hab ich gerad jede Menge tränen gelassen und auch den Artikel mit dem Unterbewussten gelesen. Ich weiß, eigentlich vom Verstand, dass meine Gedanken normal/ verständlich/ der Versuch den leichtesten Weg zugehen war. Nur weiß ich nicht wie ich da an mich ran komme.
Wann merke ich denn ob ich mir das verzeihen habe? Wenn es nicht mehr weh tut.? Oder sollte ich mich da nicht mehr hineinsteigern? Oder verdränge ich so nur wieder?

Schwer!

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    jak - 21. Februar 2017

    du spürst es, immer wenn du dich mit dem thema auseinander setzt, es ist wie eine Erleichterung, auch wenn du diese negativen Gedanken hast.
    LG
    Jak

    Reply
Gwendolin - 3. Oktober 2017

Danke für diesen Text!

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Nina - 11. Februar 2018

Ich habe einmal einen Streit mit meinem Freund angefangen und ihn so verloren. Er hat mir dann gesagt er will doch keine Beziehung mit mir führen. Natürlich weiß ich, dass er dann wohl nicht in mich verliebt war, aber ich habe sehr gelitten und mir große Vorwürfe gemacht diesen Streit angefangen zu haben. Ich habe mich richtig gequält. Immer wieder die Situation durchgespielt, überlegt was gewesen wäre wenn…
Jetzt habe ich einen neuen Freund (seit 2Jahren) und riesige Angst, dass ich wieder „etwas falsch mache“, ihn verliere, verlassen werde, weil ich mich nicht adäquat verhalte. Zur Folge hat das, dass ich jeden Streit vermeide, mich für alles entschuldige, beim kleinsten Zwischenfall leide als wäre alles zu Ende weil ich Angst habe, dass er mich nicht mehr liebt. Ich sage selten wenn mich etwas stört oder es mir nicht gut geht und wenn habe ich hinterher das Gefühl es zu bereuen und diese Angst, dass ich verlassen werde weil ich nicht gut gelaunt, cool, entspannt, etc bin. Ich weiß nicht was ich tun soll.

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Froggy - 23. Mai 2021

Ich habe grosse Mühe mit dem Konzept des „Verzeihens“. Was ist damit gemeint? So tun, als ob nichts geschehen wäre? Oder sich zwingen, keinen Groll mehr zu empfinden? Ist es gut, so an seinen Gefühlen herumzumanipulieren? Oder versuchen, die Sache ungeschehen zu machen? Das funktioniert sowieso nicht, Vergebung macht eine Sache nicht ungeschehen.

Wenn ich mir gegenüber so tue, als wäre mein Fehler niemals geschehen, dann „vergebe“ ich mir die Chance, etwas aus meinem Fehler zu lernen. Ein schlechtes Gewissen und intensives Nachdenken schaden nichts, das erhöht den Lerneffekt.

Ich bitte auch nicht um Vergebung. Wenn ein Geschädigter sauer auf mich ist, dann ist das eben so und er hat auch jedes Recht dazu. Ich darf ihn nicht dazu nötigen, seine Gefühle mir gegenüber abzuschalten. Ich kann höchstens Wiedergutmachung anbieten. Und ich kann dem Geschädigten sagen, dass es mir leid tut. Damit bringe ich nur meine eigenen Gefühle zum Ausdruck. Aber ich nötige ihn nicht dazu, mir irgendwie die Schuld abzunehmen, denn das ist ihm ja gar nicht möglich.

Wenn man das Konzept des Verzeihens ganz konsequent ausleben möchte, dann müsste man auch die guten Taten verzeihen. Ich dürfte nicht auf die gute Tat reagieren und mich auch nicht revanchieren. Das würde auch für meine guten Taten gelten. Ich dürfte mir meine guten Taten nie wieder „vorhalten“ und auch nicht stolz darauf sein…

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    Stephan Wießler - 26. Mai 2021

    Hallo Froogy,

    hast du meinen Text überhaupt gelesen? Nichts, was du schreibst, nimmt auch nur ansatzweise Bezug auf das, was ich geschrieben habe.

    Reply

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