Gelassenheit lernen – so wirst Du zum Fels in der Brandung
Was glaubst Du ist in unserer Zivilisation die häufigste Krankheitsursache?
Zeit.de beantwortet die Frage wie folgt:
„Die WHO stuft Stress als Krankmacher Nummer eins in der modernen Arbeitswelt ein.“
Es ist der Stress, den wir tagtäglich erleben.
Und genau deswegen ist Gelassenheit so wichtig. Man könnte sogar so weit gehen, es als das Gegenteil von Stress zu bezeichnen.
Aber warum tun wir das?
Warum „stressen“ wir uns?
Warum sind wir nicht entspannter und gelassener?
Und wie machen wir uns den Stress überhaupt?
Wie entsteht Stress?
Stress kann durch äußere oder innere Auslöser entstehen.
Aber machen tust Du ihn Dir immer selbst!
Bestimmt kennst Du eine (oder mehrere) der folgenden Situationen:
– Jemand rempelt Dich auf der Straße an und Du bist Dir sicher, dass es volle Absicht war.
– Du fragst jemanden etwas, bekommst aber keine Antwort, weil die Person beschäftigt ist und Du bist Dir sicher, dass sie Dich absichtlich ignoriert.
– Du sitzt in einer Runde, keiner unterhält sich mit Dir und Du weißt, dass es an Dir liegt.
Oder ein anderes Beispiel, das mir letztens widerfahren ist:
Bei uns im Hausflur lag eines Tages ein Haufen Kot. Ja, wirklich. Mitten auf dem Boden.
Mein erster Gedanke war:
„Das gibt’s doch gar nicht. Da erledigt ein Hund sein Geschäft und der Hundehalter lässt es einfach liegen.“
Später an dem Tag habe ich dann noch andere Hausbewohner darüber reden hören und die haben ähnliche Sachen gesagt und sich tierischen über den unbekannten Verursacher aufgeregt.
Und am nächsten Tag (als der Kot immer noch nicht beseitigt war) war sogar ein Zettel an der Stelle angebracht auf dem Stand, dass der Kot so schnell wie möglich entfernt werden soll und was das für eine Unverschämtheit sei usw.
Alle haben sich aufgeregt und keiner wusste, wer es war.
Ich habe dann aber nochmal ganz in Ruhe darüber nachgedacht.
Wie kann es sein, dass ein Hund mitten auf den Boden macht, das ganze Haus stinkt und der Halter des Hundes das einfach liegen lässt.
Entweder es war wirklich ein schamloser Mensch (was ja auf Anhieb alle dachten) oder es muss eine andere Möglichkeit geben.
Der Haufen lag übrigens vor der Hoftür. Und an den Hof sind noch drei weitere Häuser angeschlossen.
Ich habe mir dann überlegt, dass eine Theorie viel wahrscheinlicher ist:
Der Hundehalter ist durch ein anderes Haus mit seinem Hund auf den Hof gelaufen und hat Müll weggebracht oder was auch immer. Der Hund ist schnell in unser Haus rein, hat sein Geschäft verrichtet und ist wieder raus auf den Hof.
Und der Hundehalter?
Der hat einfach nichts davon mitbekommen!
Das ist meine Theorie.
Doch worauf läuft das Ganze hinaus?
Wir Menschen basteln uns oft eine Wahrheit zurecht, über die wir uns dann aufregen, die wahrscheinlich aber gar nicht stimmt!
Alle haben gedacht, der Hundehalter hat das mit voller Absicht getan. Ich glaube, dass er das nicht hat.
Aber so ticken die meisten Menschen nun mal. In stressigen Situationen entsteht eine aufbrausende Emotion und mit ihr einher gehen rationale Erklärungen, die dann für wahr befunden werden.
Dabei sieht die Realität vielleicht ganz anders aus!
Was auch immer die Wahrheit in dem Beispiel ist, weiß nur ein Mensch: der Hundehalter. Alles andere ist reine Spekulation. Keiner hat Recht! Es ist nur die Frage, wie Du die Situation sehen willst.
Warum machen wir uns Stress?
Die einfache Antwort darauf: Weil wir nicht reflektieren.
Wenn ich meine Hausmitbewohner heute wieder auf dieses „Hundehaufenereignis“ ansprechen würde, ich wette sie würden immer noch genauso denken, wie zu diesem Zeitpunkt.
Ich wette, sie haben sich in der Zwischenzeit keine ausgiebigen Gedanken darüber gemacht, ob an „ihrer Theorie“ vielleicht irgendetwas nicht stimmt.
Ich wette, sie würden sich immer noch ein bisschen darüber aufregen.
Es ist die mangelnde Selbstreflektion!
Und um zurück auf die einführenden Beispiele zu kommen:
– Jemand rempelt Dich auf der Straße an und Du bist Dir sicher, dass es volle Absicht war.
Vielleicht war er total im Stress und es war einfach keine Absicht. Und vielleicht war es ihm so unangenehm, dass er lieber schnell weiter läuft, statt sich zu entschuldigen.
– Du fragst jemanden etwas, bekommst aber keine Antwort, weil die Person beschäftigt ist und Du bist Dir sicher, dass sie Dich absichtlich ignoriert.
Vielleicht meint er das gar nicht böse, sondern ist gerade einfach überfordert. Vielleicht hat er einen wichtigen Gedankengang, den er gerade nicht unterbrechen will, weil er den Faden nicht verlieren will. Vielleicht hat er Deine Frage auch einfach gar nicht gehört.
– Du sitzt in einer Runde, keiner unterhält sich mit Dir und Du weißt, dass es an Dir liegt.
Vielleicht sind alle schon in ein Gespräch vertieft und konzentrieren sich darauf. Vielleicht bekommen sie gar nicht mit, dass Du Dich nicht unterhältst. Vielleicht liegt es gar nicht an Dir, sondern es hat sich gerade so ergeben.
Du siehst, worauf das hinaus läuft!?
Der erste Gedanke, den Du hast, ist nicht die Wahrheit! Es ist nur Deine Interpretation in diesem Moment. Nicht mehr und nicht weniger!
Wenn Dich eine Situation wütend macht und Deine ersten Gedanken eine böse Absicht vermuten, liegst Du wahrscheinlich falsch.
Und nur durch bewusste Reflektion über Deine eigenen Emotionen und Deine Gedanken, kannst Du Dir selbst diesen Stress nehmen.
Du machst Dir den Stress also selbst.
Wenn Du Dir also in Zukunft weniger Stress machen und mehr Gelassenheit haben möchtest, dann lies nur in Ruhe weiter.
Wie kannst Du Gelassenheit lernen?
Diese Frage beantwortet Thomas Strässle in seinem Buch „Gelassenheit – Über eine andere Haltung zur Welt“ folgendermaßen:
„Man kann nicht sich zurücklehnen und darauf warten, dass man irgendwann gelassen ist, sondern man muss daran arbeiten und sich von den Dingen ein bisschen distanzieren können.“
Ganz entscheidend ist also die aktive Rolle.
Wenn Du gelassener werden möchtest, dann beschäftige Dich aktiv damit und tue die nötigen Dinge, um mehr Gelassenheit in Dein Leben zu integrieren.
Was kannst Du ganz konkret tun?
Diese Frage möchte ich in zwei Bereiche unterteilen.
Zunächst geht es um Deine allgemeine Haltung. Und dann bekommst Du noch direkt umsetzbare Tipps um Gelassenheit zu lernen.
Deine Einstellung
Elke Nürnberger schreibt in ihrem Buch „Gelassenheit lernen“:
„Je mehr Möglichkeiten wir wahrnehmen, desto besonnener bleiben wir…“
(Gefunden hier: http://karrierebibel.de/gelassenheit/)
Das ist sehr passend zu einem Artikel, den ich vor Monaten bereits veröffentlicht habe: Komfortzone verlassen.
Dort habe ich bereits geschrieben:
„Menschen [fühlen sich] wohler, die ihre Komfortzone schon viel ausgeweitet haben. Denn sie sind flexibler und können auf alle Situationen viel besser reagieren. Sie können schneller umdenken und sich besser an Veränderungen anpassen.“
Zusammengefasst heißt dies:
Wenn wir mehr Möglichkeiten haben, sind wir gelassener.
Und mehr Möglichkeiten bekommen wir, wenn wir flexibler werden. Denn mit mehr Flexibilität können wir auf unterschiedliche Situationen viel einfacher und entspannter reagieren.
Und mehr Flexibilität erhalten wir durch die Erweiterung unserer Komfortzone.
Für Dich bedeutet das also: Stelle Dich regelmäßig neuen Herausforderungen und Du wirst insgesamt gelassener.
Techniken für mehr Gelassenheit
Was kannst Du aber noch alles tun, wenn Deine Emotionen am Überkochen sind?
Wenn Dein Stresspegel das Limit erreicht hat und Du an die Decke gehen könntest?
Mit den folgenden Techniken lernst Du, Gelassenheit in Dein Leben zu bringen:
1. Nimm wahr
Diese Technik habe ich bereits weiter oben angesprochen. Es geht um die Selbstreflektion.
Wenn Du mal in einer stressigen Situation bist, dann nimm zunächst genau wahr, wie es Dir geht und welche Gedanken Du hast.
Denke daran: Der Hundehaufen liegt vielleicht gar nicht absichtlich da!
Bedenke immer, dass es wahrscheinlich auch eine andere Möglichkeit gibt, als die, die Du als erstes ausgemalt hast.
2. Distanziere Dich
Finde Distanz zu der Situation.
Lenke Deine Gedanken bewusst in eine andere Richtung.
Wenn Dir der Stress mal wieder bis zum Hals steht, setze Dich erst mal hin, lehn Dich zurück und gewinne etwas Abstand zu den Dingen.
Überlege Dir, wie wichtig sie wirklich sind und Du wirst feststellen, dass sie meistens gar nicht so relevant sind, wie Du vielleicht dachtest.
Wenn es Dir schwer fällt, Dich an Ort und Stelle zu distanzieren, dann nimm Dir die Zeit woanders hinzugehen, um etwas Abstand zu gewinnen.
Dadurch bekommst Du wieder einen klaren Kopf und ganz die Dinge viel entspannter angehen.
3. Stelle Dir die richtigen Fragen
Wenn Du Dir selbst eine Frage stellst, findet Dein Gehirn antworten darauf!
Probiere es aus. Stell Dir selbst mal irgendeine banale Frage und lass Dir dann kurz Zeit. Zum Beispiel:
„Was ist meine Lieblingsfarbe?“
Oder
„Was würde ich heute gerne essen?“
Du wirst feststellen – wenn Du Deinem Verstand kurz Zeit gibst zum Antworten – Du wirst eine Antwort erhalten. Selbst wenn es nur ein „keine Ahnung“ ist. Eine Antwort bekommst Du aber auf jeden Fall.
Diesen Mechanismus kannst Du für Dich nutzen.
Wenn Du das nächste Mal in einer stressigen Situation bist, dann frage Dich:
„Ist es wirklich so schlimm?“
„Was kann passieren?“
„Wie schlimm wäre das wirklich?“
„Was kann ich jetzt tun?“
Oder (je nach Situation):
„Ist es wirklich so, wie ich denke?
„Könnte es auch anders sein?“
Ich denke das Prinzip ist klar. Stelle Dir selbst fragen, die Dich beruhigen! Damit gewinnst Du wieder Abstand und kannst den Stress ablegen.
4. Triff Entscheidungen
Entscheide Dich dazu, gelassener zu werden. Wie oben bereits erwähnt, wird nur derjenige gelassener, der aktiv etwas dafür tut.
Und genauso gilt: Wenn Du ein entscheidungsunfreudiger Mensch bist, dann lerne Entscheidungen zu treffen.
Denn das gibt Dir Macht über Dich selbst und hilft Dir dabei, Dich Situationen nicht hilflos aussetzen zu müssen. Du wirst also gelassener, wenn Du selbst die Zügel in der Hand hältst.
Wie Du lernst Entscheidungen zu treffen kannst Du hier nachlesen: Entscheidungen treffen
5. Atme durch
Atmen beutet Lebensenergie.
In angespannten Situationen spannen wir uns an. Und hören auf zu atmen. Dadurch kann keine Entspannung eintreten.
Vielleicht ist Dir das schon selbst aufgefallen. Wenn Du Stress hast und unter Druck stehst, dann verspannen sich Deine Muskeln. Und Deine Atmung wird flacher.
Nicht umsonst heißt es: Erst mal tief durchatmen.
Denn durch das Atmen kannst Du Verspannungen lösen. Und am besten machst Du das mehr als einmal. Setz oder leg Dich hin, nimm Dir kurz Zeit und atme konzentriert und bewusst ein paar Mal durch.
Du wirst feststellen, dass Dir das sofort hilft, etwas gelassener zu werden.
6. Schreibs auf
Aufschreiben hilft. Wenn Du viel Belastendes im Kopf hast und nicht klar denken kannst, dann setz Dich hin und schreibe alles auf.
Dadurch geht es raus aus Deinem Kopf und Du bekommst mehr Klarheit.
Und durch die Klarheit kommt Entspannung. Denn Du hast wieder eine freiere Sicht auf die Dinge, kannst sie für Dich besser sortieren und baust dadurch Stress ab.
7. Lege Deinen Perfektionismus ab
Wer alles immer perfekt machen will, wird niemals zufrieden sein.
Denn perfekt gibt es nicht.
Freunde Dich damit an, die Dinge gut, aber vielleicht nicht perfekt zu machen. Nichts gegen die Liebe zum Detail. Die ist sehr wichtig. Aber irgendwann ist eben auch mal gut.
Und Perfektionismus fördert den Stress. Lege ihn ab. Erlaube Dir nicht alles perfekt machen zu müssen und werde dadurch insgesamt gelassener. Schau Dir dazu auch die Lebensweisheiten an.
8. Mache und akzeptiere Fehler
Fehler zu machen wird in unserer Gesellschaft als ziemlich negativ eingestuft.
Das ist ein Fehler!
Denn erst durch Fehler lernen wir richtig.
Erfolge sind toll und total wichtig. Aber auch Fehler zu machen gehört dazu. Da kannst Du jeden erfolgreichen Menschen fragen.
Es gibt keinen, der keine Rückschläge dabei hatte.
Erst dadurch wachsen wir wirklich.
Lerne, dass Fehler etwas Gutes sind und lass Dich durch diese nicht geschlagen geben, sondern nutze sie, um es das nächste Mal besser zu machen.
9. Meditiere (oder entspanne Dich anderweitig)
Wenn Du insgesamt mehr Gelassenheit in Deinem Leben haben möchtest, dann beschäftige Dich aktiv mit Gelassenheit fördernden Techniken wie Meditation, Muskelentspannung, autogenem Training, Yoga oder was auch immer Dir zusagt.
Wenn Du das dann regelmäßig machst, bist Du grundlegend entspannter.
10. Eine kleine Geschichte zum Abschluss
In einem Dorf in China, nicht ganz klein, aber auch nicht groß, lebte ein Bauer – nicht arm, aber auch nicht reich, nicht sehr alt, aber auch nicht mehr jung, der hatte ein Pferd. Und weil er der einzige Bauer im Dorf war, der ein Pferd hatte, sagten die Leute im Dorf: „Oh, so ein schönes Pferd, hat der ein Glück!“
Und der Bauer antwortete: „Wer weiß?!“
Eines Tages, eines ganz normalen Tages, keiner weiß weshalb, brach das Pferd des Bauern aus seiner Koppel aus und lief weg. Der Bauer sah es noch davongaloppieren, aber er konnte es nicht mehr einfangen. Am Abend standen die Leute des Dorfes am Zaun der leeren Koppel, manche grinsten ein bisschen schadenfreudig, und sagten: „Oh der arme Bauer, jetzt ist sein einziges Pferd weggelaufen. Jetzt hat er kein Pferd mehr, der Arme!“
Der Bauer hörte das wohl und murmelte nur: „Wer weiß?!“
Ein paar Tage später, sah man morgens auf der Koppel des Bauern das schöne Pferd, wie es mit einer wilden Stute im Spiel hin und herjagte: sie war ihm aus den Bergen gefolgt. Groß war der Neid der Nachbarn, die sagten: „Oh, was hat der doch für ein Glück, der Bauer!“
Aber der Bauer sagte nur: „Wer weiß?!“
Eines schönen Tages im Sommer dann stieg der einzige Sohn des Bauern auf das Pferd, um es zu reiten. Schnell war er nicht mehr alleine, das halbe Dorf schaute zu, wie er stolz auf dem schönen Pferd ritt. „Aah, wie hat der es gut!“ Aber plötzlich schreckte das Pferd, bäumte sich auf und der Sohn, der einzige Sohn des Bauern fiel hinunter und brach sich das Bein, in viele kleine Stücke, bis zur Hüfte. Und die Nachbarn schrien auf und sagten: „Oh, der arme Bauer: Sein einziger Sohn! Ob er jemals wieder wird richtig gehen können? So ein Pech!“
Aber der Bauer sagte nur: „Wer weiß?!“
Einige Zeit später schreckte das ganze Dorf aus dem Schlaf, als gegen Morgen ein wildes Getrappel durch die Straßen lief. Die Soldaten des Herrschers kamen in das Dorf geritten und holten alle Jungen und Männer aus dem Bett, um sie mitzunehmen in den Krieg. Der Sohn des Bauern konnte nicht mitgehen. Und so mancher saß daheim und sagte: „Was hat der für ein Glück!“
Aber der Bauer murmelte nur: „Wer weiß?!“
Willst Du wirklich gelassener werden?
Ich denke, Du hast verstanden, worum es geht!
Jetzt liegt es an Dir. Gelassenheit lernst Du nicht, indem Du nur viel liest und nicht selbst etwas tust.
Wenn Du wirklich zum Fels in der Brandung werden möchtest, dann wende die Techniken auch an. Erweitere ständig Deine Komfortzone und wenn es mal zu viel wird, dann nutze die hier beschriebenen Tipps, um wieder in die Entspannung hinein zu kommen.
Es geht um Deine Einstellung und Deinen aktiven Umgang mit Dir selbst, Deinen Emotionen und den Widrigkeiten des Lebens.
Es ist so leicht, sich seinen Emotionen hinzugeben. Und doch erfordert die Gelassenheit ein gewisses Maß an Disziplin. Die Disziplin, sich selbst zu hinterfragen und seine gewohnten Reaktionen auf unterschiedliche Situationen bewusst zu verändern.
Denn warum nur lässt hier ein Mensch ganz absichtlich einen Haufen Sch… liegen?