Die Opferrolle – Was sie bedeutet und wie Du sie ablegen kannst
Sich selbst in die Opferrolle zu bringen ist oft noch viel leichter getan, als Du vielleicht denkst.
Mir ist beispielsweise mal eine große (aus meiner Sicht) Ungerechtigkeit widerfahren:
Ich hatte mir Anfang Juli ein Jahresabo für das öffentliche Nahverkehrsnetz gekauft. Beim Abschluss des Vertrags habe ich eine vorläufige Karte bekommen, die bis zum Monatsende gültig war und es hieß, dass ich bis dahin auf jeden Fall die eigentliche Karte bekommen würde, die dann für das gesamte nächste Jahr gilt.
Anfang August war diese Karte allerdings noch nicht in meinem Briefkasten, sondern stattdessen eine E-Mail in meinem Postfach mit dem Hinweis darauf, dass mir die Karte nicht zugestellt werden konnte.
Daraufhin habe ich sofort angerufen und wir haben einen Datenabgleich gemacht, bei dem sich herausstellte, dass alle Angaben korrekt waren. Der Zustellservice hatte wohl einfach meine Haustüre nicht gefunden.
Eine Woche später war meine Karte immer noch nicht da und ich rief erneut an. Wieder hieß es, dass die Karte nicht zugestellt werden konnte.
Beim dritten Anlauf – und ohne irgendeine Änderung meiner Anschrift – landete die Jahreskarte dann in meinem Briefkasten.
Doch ein paar Tage zuvor bin ich mit der U-Bahn gefahren und wurde kontrolliert. Ich erklärte dem Kontrolleur, dass ich ein Jahresabo hätte, mir seine Firma die Karte allerdings nicht rechtzeitig zugestellt habe. Er meinte, er müsse das trotzdem aufnehmen und es würde sich schon klären.
Ein paar Tage später erhielt ich einen Anruf, in dem mir (nach den Worten des Mitarbeiters am Telefon) die freudige Mitteilung gemacht wurde, dass ich für mein Fahren ohne gültiges Ticket nur 7 € statt der üblichen 40 € zahlen müsse.
Ich war unglaublich wütend, da ich mein Jahresticket bezahlt hatte und ich nichts dafür konnte, dass mir das Ticket noch nicht zugestellt wurde.
Sich selbst in die Opferrolle stecken
Ich habe dann versucht mit dem Herrn am Telefon zu reden und habe dann letztendlich die 7 € überwiesen, da mir der Aufwand für weitere Maßnahmen zu energieraubend erschien.
Und doch sah ich mich als Opfer.
Ich war das Opfer der Fehler anderer. Ich hatte keine Schuld daran, dass das Ticket nicht rechtzeitig bei mir angekommen war. Ich hatte für diese Fahrt bereits bezahlt und konnte überhaupt nichts dafür, dass ich keine Karte hatte.
Aber – und das ist der große Punkt – mich selbst zum Opfer zu machen, selbst wenn ich mich in absolutem Recht sehe, bringt gar nichts!
Es macht mir schlechte Gefühle und ändert an der Tatsache nicht das Geringste.
Es liegt bei mir, wie ich mit jeder einzelnen Situation umgehe.
Und es liegt bei mir selbst, mich aus dieser Opferrolle zu lösen und mich gut zu fühlen, wann immer ich es möchte.
Die Opferrolle anzunehmen geschieht nur allzu leicht
Wie in meiner Geschichte, geschieht es vielen Menschen in unterschiedlichsten Situationen. Sie machen sich selbst zum Opfer.
Und das oft nicht bewusst. Die Muster sind oft festgefahren und ein Gedanke, der anderen Menschen oder Umständen die Schuld gibt, ist leicht gedacht.
Gehe gedanklich nur mal Deinen Alltag durch:
Wie oft hast heute daran gedacht, dass Du durch andere Menschen oder Umstände Stress hast?
Du kommst zu spät zur Arbeit, weil Stau ist. – Opferrolle
Du bist schlecht gelaunt, weil Dein Chef Dich grundlos angemeckert hat. – Opferrolle
Du hast schlecht geschlafen, weil Dein Baby Dich geweckt hat. – Opferrolle
Du hattest zu wenig schlaf, weil Du unbedingt noch etwas für den Job fertig machen musstest. – Opferrolle
Du bist schlecht drauf, weil Dich Dein Partner/Deine Partnerin angemault hat. – Opferrolle
Du kannst Dir den Urlaub nicht leisten, weil Du zu wenig Geld verdienst. – Opferrolle
Du hast am Monatsende so wenig Geld übrig, weil der Staat sich so viele Steuern nimmt. – Opferrolle
Du hast kein Selbstvertrauen, weil Deine Eltern Dich im Stich gelassen haben. – Opferrolle
Ich glaube, Du hast verstanden, worum es geht.
Und hier sind wir an einer entscheidenden Stelle angekommen:
„Auch wenn Du Dich im Recht siehst, bringt Dir die Opferhaltung rein gar nichts!“
Klar, wäre kein Stau gewesen, wärst Du pünktlich gekommen. Hätte Dein Chef Dich nicht angemeckert, wärst Du jetzt besser gelaunt. Hätten sich Deine Eltern richtig um Dich gekümmert, dann wärst Du jetzt glücklich…
Diese Art zu denken mag logisch erscheinen, sie bringt Dich aber nicht weiter. Sie ändert einfach rein gar nichts und deswegen geht es Dir auch nicht besser.
Bevor ich jetzt dazu komme, welche Einstellung Dich weiter bringt, erzähle ich Dir noch kurz, warum Menschen sich in die Opferrolle drängen.
Was Du von der Opferhaltung hast
Wenn es doch nichts bringt, die Schuld anderen zu geben und sich somit in die Opferrolle zu bringen, warum tun wir Menschen das dann?
1. Weil es einfach ist
Die Opferrolle anzunehmen ist einfach! Denn dann gibt man die Schuld woanders ab und muss nichts weiter tun. Man kann sich dann aufregen oder deprimiert zurückziehen oder anderen erzählen, wie ungerecht die Welt ist. Nur muss man nicht mehr selbst handeln. Man kann einfach in Selbstmitleid zerfließen.
Wenn man stattdessen selbst die Verantwortung übernimmt, dann kann das Energie kosten. Dann muss man sich Gedanken machen und sich überlegen, was man tun kann, um sich selbst wieder besser zu fühlen. Man erkennt vielleicht, dass es etwas Aufwand ist, die Verantwortung zu übernehmen und selbst aktiv zu werden, um alles wieder ins rechte Licht zu rücken.
2. Weil wir einen vermeintlichen Nutzen davon haben
Welcher Nutzen soll das sein?
Na Aufmerksamkeit zum Beispiel. Oder auch Selbstmitleid an sich kann einen Nutzen darstellen. Denn wenn ich mir sage, wie schlecht und gemein die Welt und die anderen doch sind, kann ich mich gleichzeitig als nobel und Gutmenschen sehen.
Und wenn das nicht etwas Gutes ist?
So denken wir (oft unbewusst), dass wir etwas Gutes bekommen (oder sind), wenn wir uns als Opfer sehen. Schließlich sind alle schlecht, außer mir selbst.
Dadurch können dann Gedankenkonstrukte entstehen, die nicht sehr förderlich sind, wie beispielsweise das sich immer wieder in die Opferrolle drängen, um zu zeigen, was für ein guter Mensch man doch ist und dass man anders und besser ist, als die bösen Menschen da draußen.
3. Weil wir es gewohnt sind
Dieser Punkt ist auch nicht zu verachten. Wir Menschen tun eben gerne Dinge, die wir schon immer so gemacht haben. Gewohnheiten sind ein wichtiger Teil unserer täglichen Handlungen. Unser Gehirn wäre schlichtweg überfordert, wenn es jeden Morgen überhaupt nicht wüsste, was gestern war und was es jetzt mit sich anfangen soll.
Da sind gewohnheitsmäßige Abläufe wärmstens willkommen.
Das kann aber eben auch nach hinten losgehen, wenn wir Dinge wiederholen, die uns nicht gut tun. Und wenn wir uns oft als Opfer sehen und aktiv an dieser Sichtweise nichts ändern, dann tun wir das einfach immer wieder. Das ist ja schließlich ein gewohnter, bewährter Weg.
Wie Du die Opferrolle verlässt
Nun ist geklärt, wann Du Dich in der Opferrolle befindest (quasi immer, wenn Du die Schuld woanders suchst) und warum Du Dich selbst als Opfer siehst.
Jetzt kommen wir zum wichtigsten Punkt: Wie kommst Du da wieder raus?
1. Du musst es wollen
Das mag banal klingen, ist es aber nicht. Da es ja sehr bequem in der Opferolle ist, ist es nicht selbstverständlich, dass sich jeder dort auch hinausbewegen möchte.
Wenn Du also aus der Opferrolle hinaus willst, dann musst Du auch bereit dazu sein, Dich zu verändern und ggf. Energie dafür aufzuwenden und selbst aktiv zu werden.
2. Du musst Dir bewusst darüber sein
Sobald Du Dich dazu entschieden hast, auch wirklich etwas zu ändern, dann geht es jetzt ans Beobachten. Hinterfrage Dich und schau Dir Dein eigenes Verhalten an.
Wann nimmst Du die Opferrolle ein?
Wann suchst Du die Schuld bei anderen?
In welchen Situationen beschwerst Du Dich über das Verhalten anderer?
Erkenne Deine Muster.
Wenn Du insgesamt mehr an Deinem Selbstbewusstsein arbeiten möchtest, findest Du hier die passenden Artkel dazu: Selbstbewusstsein – Die besten Tipps, Erfahrungen und Übungen
3. Du musst Dein Verhalten gezielt ändern und die Verantwortung übernehmen
Und dann geht es los!
Übernimm die volle Verantwortung für Dein Leben! Lass nicht andere Menschen Macht über Dich haben.
Du kommst zu spät, weil Du im Stau steckst? – Dann lerne daraus und fahre das nächste Mal früher los.
Du bist schlecht gelaunt, weil Dein Chef Dich grundlos angemeckert hat? – Dann denke Dir, dass er einen schlechten Tag haben muss und übernimm die Verantwortung für Deine Gefühle. Fühl Dich also gut, egal wie Dein Chef drauf ist. Ist ja schließlich Dein Leben.
Du hast schlecht geschlafen, weil Dein Baby Dich geweckt hat? – Ist ja Ok. Aber beschwere Dich nicht darüber, sondern ändere Deine Gedanken. Konzentriere Dich auf die schönen Sachen. Freu Dich, dass Du so ein tolles Baby hast.
Du hattest zu wenig schlaf, weil Du unbedingt noch etwas für den Job fertig machen musstest? – Es ist Dein Job! Du hast ihn Dir ausgesucht. Wenn er Dir nicht passt, dann kündige. Ich sags nochmal: Übernimm die Verantwortung.
Du bist schlecht drauf, weil Dich Dein Partner/Deine Partnerin angemault hat? – Deine Gefühle gehören immer noch Dir. Du entscheidest, wie es Dir geht! Nicht Dein Partner/Deine Partnerin.
Du kannst Dir den Urlaub nicht leisten, weil Du zu wenig Geld verdienst? – Dann verdiene mehr! Konzentriere Dich nicht darauf, was Du nicht hast, sondern darauf, was Du willst. Finde Lösungen.
Du hast am Monatsende so wenig Geld übrig, weil der Staat sich so viele Steuern nimmt? – Wenn Du daran nichts ändern kannst, dann lebe damit. Aber verschwende keine Energie damit.
Du hast kein Selbstvertrauen, weil Deine Eltern Dich im Stich gelassen haben? – Verzeihe Deinen Eltern und übernimm die volle Verantwortung für Dich und Dein Leben.
Wenn Du noch mehr an Dir und Deiner Entwicklung arbeiten möchtest, schau Dir meinen gratis E-Mail Kurs für mehr Selbstvertrauen an.
Willst Du Opfer bleiben?
Es liegt bei Dir, wie Du Dich entscheidest. Entweder Du machst es Dir in der Opferhaltung bequem und bekommst Deine Aufmerksamkeit oder änderst Dein Leben und siehst ein, dass es alleine an Dir liegt.
Du hast die Wahl!