Narzissmus – Merkmale und Überwindung
Narzissmus ist ein sehr weitläufiger Begriff, der in vielen teils unterschiedlichen Disziplinen Verwendung findet.
Eine erste Abgrenzung möchte ich hier vornehmen: Dieser Artikel behandelt vor allem den „Alltagsnarzissmus“. Also eher das, was einer breiten Masse unter dem Begriff geläufig ist und im alltäglichen gefunden werden kann.
Es gibt auch die narzisstische Persönlichkeitsstörung. Ein Übergang von Alltagsnarzissmus zu einer Persönlichkeitsstörung kann natürlich fließend sein. Einen Therapieersatz bietet dieser Artikel freilich nicht.
Er zeigt lediglich typische narzisstische Verhaltensweisen auf und bietet Lösungen an.
Für wen ist dieser Artikel?
Für Menschen, die sich selbst erforschen und erkennen möchten, ob sie Merkmale des Narzissmus haben und diese überwinden möchten.
Und genauso für Betroffene, die von Narzissten umgeben sind, um diese besser zu verstehen und somit entscheiden können, wie sie mit ihnen umgehen möchten.
Inhalt des Artikels:
Merkmale von Narzissmus
Ursachen von Narzissmus
Umgang mit Narzissten
Wie Du Narzissmus überwinden kannst
1. Hör auf, alles auf Dich zu beziehen
2. Lerne die Bedürfnisse anderer Menschen kennen
3. Mache anderen Menschen bewusst eine Freude
4. Lerne Deine Gefühle kennen
5. Übe Dich in Demut und Dankbarkeit
Merkmale von Narzissmus
Der Narzisst denkt in erster (oder sogar einziger) Linie an sich selbst. Er ist egozentrisch, selbstverliebt und achtet nur auf sich und seine vermeintlichen Bedürfnisse.
Er ist sehr selbstgerecht und achtet immer darauf, nicht zu kurz zu kommen. Er sieht zu, dass die Aufmerksamkeit stets auf ihm liegt und ihm ist enorm wichtig, wie er von anderen wahrgenommen wird. Ein gutes Image ist ihm wichtiger als authentische Gefühle und er ist ständig auf der Suche nach Anerkennung und Bestätigung von anderen.
Er ist neidisch und überheblich. Er redet am liebsten von sich selbst und seinen Errungenschaften und hat nicht viel übrig für die Gefühle anderer.
Und auf der anderen Seite nimmt er sich selbst so nicht wahr. Er ist zutiefst verunsichert, leidet unter einem niedrigen Selbstwertgefühl, ist leicht verletzlich, bezieht jede Kritik auf sich und nimmt sie persönlich.
Er verzeiht anderen eher selten und sieht in vielen alltäglichen Situationen und Menschen eine Bedrohung.
Er grenzt sich dadurch ab und versucht seine tief sitzende Unsicherheit so gut zu verschleiern, wie er kann.
Narzissten können sehr charmant sein und wissen, wie sie andere für sich gewinnen können. So mögen sie auf den ersten Blick den Anschein von Hilfsbereitschaft, Offenheit und Freundlichkeit vermitteln, dies bleibt aber immer an der Oberfläche, so dass sie zu tiefgreifenden Beziehungen zu anderen Menschen nicht in der Lage sind.
Sie sind sehr manipulativ und versuchen alle dazu zu bringen, ihnen bei der Erfüllung ihrer Wünsche behilflich zu sein.
Sie haben keinen guten Zugang zu ihren eigenen Gefühlen und folgen dem Ideal, dass sie in ihrem Verstand kreiert haben. Dadurch steht das Image immer an erster Stelle und eigene und fremde Gefühle spielen dabei keine Rolle.
Das kann dann auch dazu führen, dass bei Narzissten depressive Stimmungen entstehen und sie sich vielen Ängsten ausgesetzt sehen, die sie aber so gut es geht, überspielen.
Sie sind gefangene in ihrem Elfenbeinturm, von dem aus sie verachtend auf andere herabschauen und in den sie sich mit ihren Ängsten zurückziehen. Sie denken, sie sind etwas ganz Besonderes und lassen dies früher oder später ihr Umfeld spüren.
Typische Charakteristika eines Narzissten:
– überheblich
– selbstbezogen
– egozentrisch und egoistisch
– arrogant
– selbstgerecht
– hochnäsig
– selbstdarstellerisch
– unrealistische Selbsteinschätzung
– mangelnde Rücksichtnahme
– unsicher
– geringes Selbstwertgefühl
– ängstlich
Ursachen von Narzissmus
Nach einer Studie lernen Narzissten den Narzissmus von den eigenen Eltern.
Wenn die Eltern schon die Einstellung haben, die Kinder seien etwas Besonderes und besser als andere Kinder, übernehmen die Kinder diese Einstellung.
Und Alice Miller, eine schweizerische Psychologin, sagt dazu:
„Narzisstisch zu sein ist für sie etwas Normales, Gesundes und bezeichnet jemanden, der seine Interessen verfolgen kann. Eine narzisstische Störung entsteht laut Miller, wenn ein Kind seine eigenen Gefühle und Interessen nicht artikulieren durfte und später dafür ein „Ventil“ braucht. Das äußert sich meistens in Depression und/oder Gefühlen der Großartigkeit, die aber nur zwei Seiten derselben Medaille darstellen.“
Auch hier zeigt sich wieder der schmale Grat zwischen (vielleicht sogar gesundem) Alltagsnarzissmus und einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung.
Im selben Artikel sieht Bernhard Haslinger von der Berliner Charité den Narzissten folgendermaßen:
„Der pathologische Narzisst versucht unbewusst durch übersteigerte Größenfantasien sein eigentlich tief empfundenes Minderwertigkeitserleben, seine innere Verlorenheit abzumildern.“
So lässt sich daraus schließen, dass Narzissmus entweder durch ebenfalls narzisstische Eltern entsteht und/oder durch eine Erziehung, die das Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl untergräbt.
Umgang mit Narzissten
Wenn Du Dich vielleicht nicht selbst in dem Artikel wiederfindest, trifft die Beschreibung vielleicht auf jemanden zu, den Du kennst. Vielleicht bei der Arbeit, im Bekanntenkreis oder sogar in Deiner Beziehung.
Den Versuch zu unternehmen, Narzissten zu ändern, wenn diese nicht von sich aus auf Dich zukommen, ist nicht sehr erfolgversprechend. Denn genau das ist Teil des narzisstischen Selbstschutzes. Kritik wird von Narzissten zwar persönlich genommen, aber auch genauso gedreht wie es ihnen eben passt. Dadurch suchen sie nicht den Fehler bei sich selbst, sondern machen andere Dinge oder Personen verantwortlich.
In wieweit Du Dich auf Narzissten einlassen möchtest, bleibt Dir überlassen. Aber vielleicht ist manchmal die Abkehr von ihnen die richtige Entscheidung.
Wie Du Narzissmus überwinden kannst
Ich sag es hier nochmal: Wenn Du das Gefühl hast, eine narzisstische Persönlichkeitsstörung zu haben, dann wende Dich bitte an einen Fachmann.
Die Ratschläge, die ich hier erteile sind eben genau das: Ratschläge.
Sie dienen vor allem Menschen, die vielleicht merken, dass sich ihr Umfeld von ihnen abwendet und die sich in den obigen Beschreibungen wiedergefunden haben (und etwas ändern wollen).
Wie bereits gesagt: Auch die Wissenschaft geht zum Teil davon aus, dass ein bisschen Narzisst in jedem von uns steckt und dies sogar gesund ist.
Wenn Du für Dich aber das Gefühl hast, vielleicht doch etwas zu viel an Dich selbst zu denken, dann findest Du hier Rat. Halte Dich an die folgenden Punkte, um Deinem Narzissmus angemessen zu begegnen und diesen Stück für Stück loszulassen.
1. Hör auf, alles auf Dich zu beziehen
Narzissten sind sehr selbstbezogen. Das bedeutet, dass sie sehr viele Dinge, die um sie herum geschehen und sehr viele Aussagen von Menschen direkt auf sich selbst beziehen. Sie denken sie wären persönlich gemeint, was aber oft nicht stimmt.
Übe Dich darin, nicht alles persönlich zu nehmen. Wenn Menschen Aussagen treffen, dann hör genau hin und überlege Dir, ob wirklich Du damit gemeint warst.
Wenn ein Auto hinter Dir hupt, dann liegt das nicht an Dir, sondern an demjenigen, der hupt.
Denn wenn Du dies persönlich nimmst, denkst Du die ganze Zeit, alle hätten es auf Dich abgesehen.
Jeder böse Blick auf der Straße, jedes hupende Auto, jede unliebsame Entscheidung von Politikern, jede noch so kleine Aussage vom Chef, den Kollegen, den Freunden oder dem Partner machen einem Narzissten das Leben schwer. Denn ständig denkt er, er sei damit gemeint.
Stelle Dir immer die Frage: „Bin ich wirklich persönlich gemeint?“
Und Du wirst feststellen, dass dies wirklich in den wenigsten Fällen so ist.
2. Lerne die Bedürfnisse anderer Menschen kennen
Um Deinen Elfenbeinturm zu verlassen, musst Du Dich mit Deinen Mitmenschen auf eine Ebene begeben.
Es ist leicht, arrogant auf alle hinabzublicken und ihre Fehler und Schwächen zu sehen.
Und es ist schön, Dich wirklich mit Deinen Mitmenschen zu verbinden und ihnen auf Augenhöhe zu begegnen.
Üben kannst Du das, indem Du Deinen Fokus veränderst. Weg von Dir selbst und Deinen selbstgerechten Gedanken und hin zu den Bedürfnissen Deiner Mitmenschen.
Überlege Dir immer, was Dein Gegenüber will. Hör ihm genau zu, deute seine Gestik und Mimik und versuche Dich in ihn hinein zu versetzen. Verstehe ihn wirklich.
Mach Dir Folgendes bewusst: Hinter jedem menschlichen Verhalten steckt eine positive Absicht.
Wenn der Autofahrer hinter Dir hupt, macht er das nicht, um Dich zu ärgern, sondern weil er schnell vorwärts kommen möchte. Oder weil er gestresst ist und damit Stress ablassen kann.
Die Grundintention ist immer eine positive.
Finde diese positive Intention bei Deinen Mitmenschen.
Wenn Du Deinen Fokus darauf richtest, dann hörst Du nicht nur auf, die Dinge persönlich zu nehmen, sondern kannst andere sogar dabei unterstützen, ihre Bedürfnisse zu befriedigen.
Das wird Dich zu einem anderen Menschen machen. Einem Menschen, der hilfsbereit und beliebt ist und den andere gerne um sich haben. Und das ist ja auch genau das, was ein Narzisst eigentlich will.
Nur hat sich die Intention dahinter verändert. Er stellt sich dann nicht mehr aus einer Angst und tiefen Unsicherheit heraus in den Mittelpunkt, sondern möchte wirklich seinen Mitmenschen eine Hilfe sein.
3. Mache anderen Menschen bewusst eine Freude
Um den Narzissmus zu überwinden, kannst Du anfangen, Deinen Mitmenschen eine Freude zu machen. Und zwar ganz bewusst und gezielt. Und – ganz wichtig – bedingungslos.
Also aus einer inneren Haltung des Gebens heraus. Ohne etwas dafür zu verlangen.
Der Narzisst ist gut darin, zu nehmen und achtet immer darauf, nicht zu kurz zu kommen.
Wenn Du das überwinden willst, dann lege Deine eigenen (vermeintlichen!)Bedürfnisse beiseite und tue Dinge, nicht um anderen zu gefallen und Dir Deine Bestätigung abzuholen, sondern einfach nur, um ihnen Freude zu bereiten.
Und – wie das im Leben eben so ist – bekommst Du auf einmal genau das zurück, was Du durch das ständige Suchen nach Aufmerksamkeit und Bestätigung die ganze Zeit über versucht hast zu erzwingen.
Mache diese Freuden immer und immer wieder. Das können Kleinigkeiten im Alltag sein. Ein Essen oder ein Blumenstrauß hier oder eine Massage oder ein Ausflug dort.
Übe Dich darin, Menschen das zu geben, was ihnen gut tut.
4. Lerne Deine Gefühle kennen
„Image ist alles.“
Das ist die unbewusste Maxime des Narzissten. Und dabei bleiben seine wahren Gefühle und Bedürfnisse auf der Strecke.
Wenn Du Deinen Narzissmus überwinden willst, finde einen Zugang genau dahin: zu Deinen wahren Wünschen und Gefühlen.
Verstehe, was hinter Deinem Verhalten steht und was Du die ganze Zeit über versuchst zu verschleiern.
Blicke hinter Deine eigene Fassade und entdecke, was sich dahinter verbirgt. Welches Bedürfnis versuchst Du wirklich zu stillen?
5. Übe Dich in Demut und Dankbarkeit
Erinnere Dich jeden Tag daran: Das Leben ist ein Geschenk und es ist nicht dazu da, um Dir Gerechtigkeit zu verschaffen, alle Menschen nach Deiner Pfeife tanzen zu lassen und Dir nur das Beste auf dem Silbertablett zu servieren (das Beste ist gerade gut genug).
Du bist genau so, wie alle anderen Menschen auf dieser Erde. Nicht besser und nicht schlechter. Wir alle haben unseren Kampf zu kämpfen oder unseren Frieden zu machen.
Wir sind nicht da, nur um Deine Bedürfnisse zu erfüllen. Sondern jeder darf seinen Teil mit einbringen. Für sich und für andere.
Erinnere Dich täglich daran, dass alle Menschen Bedürfnisse haben und schaue, wie Du ihnen dabei helfen kannst und ihnen wirklich etwas zu geben.
Nämlich dann – und genau dann – kommt genau das, was Du bisher immer gesucht hast, zu Dir zurück. Auf ganz einfache und entspannte Art und Weise.