Narzissmus – Merkmale und Überwindung

Narzissmus ist ein sehr weitläufiger Begriff, der in vielen teils unterschiedlichen Disziplinen Verwendung findet.

Eine erste Abgrenzung möchte ich hier vornehmen: Dieser Artikel behandelt vor allem den „Alltagsnarzissmus“. Also eher das, was einer breiten Masse unter dem Begriff geläufig ist und im alltäglichen gefunden werden kann.

Es gibt auch die narzisstische Persönlichkeitsstörung. Ein Übergang von Alltagsnarzissmus zu einer Persönlichkeitsstörung kann natürlich fließend sein. Einen Therapieersatz bietet dieser Artikel freilich nicht.

Er zeigt lediglich typische narzisstische Verhaltensweisen auf und bietet Lösungen an.

Für wen ist dieser Artikel?

Für Menschen, die sich selbst erforschen und erkennen möchten, ob sie Merkmale des Narzissmus haben und diese überwinden möchten.

Und genauso für Betroffene, die von Narzissten umgeben sind, um diese besser zu verstehen und somit entscheiden können, wie sie mit ihnen umgehen möchten.


Inhalt des Artikels:
Merkmale von Narzissmus
Ursachen von Narzissmus
Umgang mit Narzissten
Wie Du Narzissmus überwinden kannst
1. Hör auf, alles auf Dich zu beziehen
2. Lerne die Bedürfnisse anderer Menschen kennen
3. Mache anderen Menschen bewusst eine Freude
4. Lerne Deine Gefühle kennen
5. Übe Dich in Demut und Dankbarkeit


Merkmale von Narzissmus

Der Narzisst denkt in erster (oder sogar einziger) Linie an sich selbst. Er ist egozentrisch, selbstverliebt und achtet nur auf sich und seine vermeintlichen Bedürfnisse.

weiblicher NarzissmusEr ist sehr selbstgerecht und achtet immer darauf, nicht zu kurz zu kommen. Er sieht zu, dass die Aufmerksamkeit stets auf ihm liegt und ihm ist enorm wichtig, wie er von anderen wahrgenommen wird. Ein gutes Image ist ihm wichtiger als authentische Gefühle und er ist ständig auf der Suche nach Anerkennung und Bestätigung von anderen.

Er ist neidisch und überheblich. Er redet am liebsten von sich selbst und seinen Errungenschaften und hat nicht viel übrig für die Gefühle anderer.

Und auf der anderen Seite nimmt er sich selbst so nicht wahr. Er ist zutiefst verunsichert, leidet unter einem niedrigen Selbstwertgefühl, ist leicht verletzlich, bezieht jede Kritik auf sich und nimmt sie persönlich.

Er verzeiht anderen eher selten und sieht in vielen alltäglichen Situationen und Menschen eine Bedrohung.

Er grenzt sich dadurch ab und versucht seine tief sitzende Unsicherheit so gut zu verschleiern, wie er kann.

Narzissten können sehr charmant sein und wissen, wie sie andere für sich gewinnen können. So mögen sie auf den ersten Blick den Anschein von Hilfsbereitschaft, Offenheit und Freundlichkeit vermitteln, dies bleibt aber immer an der Oberfläche, so dass sie zu tiefgreifenden Beziehungen zu anderen Menschen nicht in der Lage sind.

Sie sind sehr manipulativ und versuchen alle dazu zu bringen, ihnen bei der Erfüllung ihrer Wünsche behilflich zu sein.

Sie haben keinen guten Zugang zu ihren eigenen Gefühlen und folgen dem Ideal, dass sie in ihrem Verstand kreiert haben. Dadurch steht das Image immer an erster Stelle und eigene und fremde Gefühle spielen dabei keine Rolle.

Das kann dann auch dazu führen, dass bei Narzissten depressive Stimmungen entstehen und sie sich vielen Ängsten ausgesetzt sehen, die sie aber so gut es geht, überspielen.

Sie sind gefangene in ihrem Elfenbeinturm, von dem aus sie verachtend auf andere herabschauen und in den sie sich mit ihren Ängsten zurückziehen. Sie denken, sie sind etwas ganz Besonderes und lassen dies früher oder später ihr Umfeld spüren.

Typische Charakteristika eines Narzissten:

– überheblich
– selbstbezogen
– egozentrisch und egoistisch
– arrogant
– selbstgerecht
– hochnäsig
– selbstdarstellerisch
– unrealistische Selbsteinschätzung
– mangelnde Rücksichtnahme
– unsicher
– geringes Selbstwertgefühl
– ängstlich

Ursachen von Narzissmus

Nach einer Studie lernen Narzissten den Narzissmus von den eigenen Eltern.

Wenn die Eltern schon die Einstellung haben, die Kinder seien etwas Besonderes und besser als andere Kinder, übernehmen die Kinder diese Einstellung.

Und Alice Miller, eine schweizerische Psychologin, sagt dazu:

„Narzisstisch zu sein ist für sie etwas Normales, Gesundes und bezeichnet jemanden, der seine Interessen verfolgen kann. Eine narzisstische Störung entsteht laut Miller, wenn ein Kind seine eigenen Gefühle und Interessen nicht artikulieren durfte und später dafür ein „Ventil“ braucht. Das äußert sich meistens in Depression und/oder Gefühlen der Großartigkeit, die aber nur zwei Seiten derselben Medaille darstellen.“

Auch hier zeigt sich wieder der schmale Grat zwischen (vielleicht sogar gesundem) Alltagsnarzissmus und einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung.

Im selben Artikel sieht Bernhard Haslinger von der Berliner Charité den Narzissten folgendermaßen:

„Der pathologische Narzisst versucht unbewusst durch übersteigerte Größenfantasien sein eigentlich tief empfundenes Minderwertigkeitserleben, seine innere Verlorenheit abzumildern.“

So lässt sich daraus schließen, dass Narzissmus entweder durch ebenfalls narzisstische Eltern entsteht und/oder durch eine Erziehung, die das Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl untergräbt.

Umgang mit Narzissten

Wenn Du Dich vielleicht nicht selbst in dem Artikel wiederfindest, trifft die Beschreibung vielleicht auf jemanden zu, den Du kennst. Vielleicht bei der Arbeit, im Bekanntenkreis oder sogar in Deiner Beziehung.

narzisstische PersönlichkeitsstörungDen Versuch zu unternehmen, Narzissten zu ändern, wenn diese nicht von sich aus auf Dich zukommen, ist nicht sehr erfolgversprechend. Denn genau das ist Teil des narzisstischen Selbstschutzes. Kritik wird von Narzissten zwar persönlich genommen, aber auch genauso gedreht wie es ihnen eben passt. Dadurch suchen sie nicht den Fehler bei sich selbst, sondern machen andere Dinge oder Personen verantwortlich.

In wieweit Du Dich auf Narzissten einlassen möchtest, bleibt Dir überlassen. Aber vielleicht ist manchmal die Abkehr von ihnen die richtige Entscheidung.

Wie Du Narzissmus überwinden kannst

Ich sag es hier nochmal: Wenn Du das Gefühl hast, eine narzisstische Persönlichkeitsstörung zu haben, dann wende Dich bitte an einen Fachmann.

Die Ratschläge, die ich hier erteile sind eben genau das: Ratschläge.

Sie dienen vor allem Menschen, die vielleicht merken, dass sich ihr Umfeld von ihnen abwendet und die sich in den obigen Beschreibungen wiedergefunden haben (und etwas ändern wollen).

Wie bereits gesagt: Auch die Wissenschaft geht zum Teil davon aus, dass ein bisschen Narzisst in jedem von uns steckt und dies sogar gesund ist.

Wenn Du für Dich aber das Gefühl hast, vielleicht doch etwas zu viel an Dich selbst zu denken, dann findest Du hier Rat. Halte Dich an die folgenden Punkte, um Deinem Narzissmus angemessen zu begegnen und diesen Stück für Stück loszulassen.

1. Hör auf, alles auf Dich zu beziehen

Narzissten sind sehr selbstbezogen. Das bedeutet, dass sie sehr viele Dinge, die um sie herum geschehen und sehr viele Aussagen von Menschen direkt auf sich selbst beziehen. Sie denken sie wären persönlich gemeint, was aber oft nicht stimmt.

Übe Dich darin, nicht alles persönlich zu nehmen. Wenn Menschen Aussagen treffen, dann hör genau hin und überlege Dir, ob wirklich Du damit gemeint warst.

Wenn ein Auto hinter Dir hupt, dann liegt das nicht an Dir, sondern an demjenigen, der hupt.

Denn wenn Du dies persönlich nimmst, denkst Du die ganze Zeit, alle hätten es auf Dich abgesehen.

Jeder böse Blick auf der Straße, jedes hupende Auto, jede unliebsame Entscheidung von Politikern, jede noch so kleine Aussage vom Chef, den Kollegen, den Freunden oder dem Partner machen einem Narzissten das Leben schwer. Denn ständig denkt er, er sei damit gemeint.

Stelle Dir immer die Frage: „Bin ich wirklich persönlich gemeint?“

Und Du wirst feststellen, dass dies wirklich in den wenigsten Fällen so ist.

2. Lerne die Bedürfnisse anderer Menschen kennen

Um Deinen Elfenbeinturm zu verlassen, musst Du Dich mit Deinen Mitmenschen auf eine Ebene begeben.

Es ist leicht, arrogant auf alle hinabzublicken und ihre Fehler und Schwächen zu sehen.

Und es ist schön, Dich wirklich mit Deinen Mitmenschen zu verbinden und ihnen auf Augenhöhe zu begegnen.

Umgang mit NarzisstenÜben kannst Du das, indem Du Deinen Fokus veränderst. Weg von Dir selbst und Deinen selbstgerechten Gedanken und hin zu den Bedürfnissen Deiner Mitmenschen.

Überlege Dir immer, was Dein Gegenüber will. Hör ihm genau zu, deute seine Gestik und Mimik und versuche Dich in ihn hinein zu versetzen. Verstehe ihn wirklich.

Mach Dir Folgendes bewusst: Hinter jedem menschlichen Verhalten steckt eine positive Absicht.

Wenn der Autofahrer hinter Dir hupt, macht er das nicht, um Dich zu ärgern, sondern weil er schnell vorwärts kommen möchte. Oder weil er gestresst ist und damit Stress ablassen kann.

Die Grundintention ist immer eine positive.

Finde diese positive Intention bei Deinen Mitmenschen.

Wenn Du Deinen Fokus darauf richtest, dann hörst Du nicht nur auf, die Dinge persönlich zu nehmen, sondern kannst andere sogar dabei unterstützen, ihre Bedürfnisse zu befriedigen.

Das wird Dich zu einem anderen Menschen machen. Einem Menschen, der hilfsbereit und beliebt ist und den andere gerne um sich haben. Und das ist ja auch genau das, was ein Narzisst eigentlich will.

Nur hat sich die Intention dahinter verändert. Er stellt sich dann nicht mehr aus einer Angst und tiefen Unsicherheit heraus in den Mittelpunkt, sondern möchte wirklich seinen Mitmenschen eine Hilfe sein.

3. Mache anderen Menschen bewusst eine Freude

Um den Narzissmus zu überwinden, kannst Du anfangen, Deinen Mitmenschen eine Freude zu machen. Und zwar ganz bewusst und gezielt. Und – ganz wichtig – bedingungslos.

Also aus einer inneren Haltung des Gebens heraus. Ohne etwas dafür zu verlangen.

Der Narzisst ist gut darin, zu nehmen und achtet immer darauf, nicht zu kurz zu kommen.

Wenn Du das überwinden willst, dann lege Deine eigenen (vermeintlichen!)Bedürfnisse beiseite und tue Dinge, nicht um anderen zu gefallen und Dir Deine Bestätigung abzuholen, sondern einfach nur, um ihnen Freude zu bereiten.

Und – wie das im Leben eben so ist – bekommst Du auf einmal genau das zurück, was Du durch das ständige Suchen nach Aufmerksamkeit und Bestätigung die ganze Zeit über versucht hast zu erzwingen.

Mache diese Freuden immer und immer wieder. Das können Kleinigkeiten im Alltag sein. Ein Essen oder ein Blumenstrauß hier oder eine Massage oder ein Ausflug dort.

Übe Dich darin, Menschen das zu geben, was ihnen gut tut.

4. Lerne Deine Gefühle kennen

„Image ist alles.“

Das ist die unbewusste Maxime des Narzissten. Und dabei bleiben seine wahren Gefühle und Bedürfnisse auf der Strecke.

Wenn Du Deinen Narzissmus überwinden willst, finde einen Zugang genau dahin: zu Deinen wahren Wünschen und Gefühlen.

Verstehe, was hinter Deinem Verhalten steht und was Du die ganze Zeit über versuchst zu verschleiern.

Blicke hinter Deine eigene Fassade und entdecke, was sich dahinter verbirgt. Welches Bedürfnis versuchst Du wirklich zu stillen?

5. Übe Dich in Demut und Dankbarkeit

Erinnere Dich jeden Tag daran: Das Leben ist ein Geschenk und es ist nicht dazu da, um Dir Gerechtigkeit zu verschaffen, alle Menschen nach Deiner Pfeife tanzen zu lassen und Dir nur das Beste auf dem Silbertablett zu servieren (das Beste ist gerade gut genug).

Narzissmus TherapieDu bist genau so, wie alle anderen Menschen auf dieser Erde. Nicht besser und nicht schlechter. Wir alle haben unseren Kampf zu kämpfen oder unseren Frieden zu machen.

Wir sind nicht da, nur um Deine Bedürfnisse zu erfüllen. Sondern jeder darf seinen Teil mit einbringen. Für sich und für andere.

Erinnere Dich täglich daran, dass alle Menschen Bedürfnisse haben und schaue, wie Du ihnen dabei helfen kannst und ihnen wirklich etwas zu geben.

Nämlich dann – und genau dann – kommt genau das, was Du bisher immer gesucht hast, zu Dir zurück. Auf ganz einfache und entspannte Art und Weise.

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Marianne Herbing - 16. Juni 2016

Lieber Stephan,

Dein Artikel ist wirklich sehr gut und beschreibt das „Wesentliche“ einer narzisstischen Persönlichkeit. Vielleicht hätte man noch ein wenig mehr auf das im Hintergrund wirkende Minderwertigkeitsgefühl eingehen können, denn nicht das was der Mensch nach vorne zur Schau stellt macht ihn aus, sondern eben seine furchtbare Unsicherheit ( die er sich selbst natürlich nicht eingesteht, sprich, die sich seinem Bewusstsein völlig entzieht) Ich hatte einen solchen Vater und es hat lange gedauert, bis ich ihn begriffen hatte und nur noch Mitleid für ihn empfinden konnte. Ihm wurde in der Kindheit arg mitgespielt und für solche Menschen braucht es da wirklich Hilfe oder vielleicht eine Begleitung, um diese Wunden zu heilen.
Es ist zwar gut, wenn es einem bewusst wird, aber man muss da auch die Stärke und den Mut aufbringen, sich seinem Schmerz zu stellen. Aber da arbeitest Du ja dran.
In diesem Sinne….mach weiter so und Danke Dir.

Reply
    mail@stephanwiessler.de - 16. Juni 2016

    Erstmal danke für die lobenden Worte. Zum Thema Minderwertigkeitsgefühl findest Du noch viele weitere Artikel hier auf dem Blog. Z. B. hier: http://www.stephanwiessler.de/minderwertigkeitskomplexe

    Und danke, dass Du Deine Erfahrung mit uns teilst.

    Reply
Annika Kempf - 16. Juni 2016

Hallo Stephan,
wenn man davon ausgeht, dass alle Bestrebungen des Menschen im Grunde positiv sind, so ist im Prinzip auch die Bestrebung des Narzissten positiv, sich mit sich selbst zu beschäftigen, weil er ja eigentlich nur eine positive Verbindung zu sich selbst sucht. Das Problem des Narzissten befindet sich nur darin, dass er das Ziel über den Kopf zu erreichen versucht. Die Lösung ist, sich mit seinen wahren Gefühlen auseinanderzusetzen. Narzissmus ist ein Gedankengebilde, was genau vor diesen schützen soll.

Habe ich Deine Herangehensweise richtig verstanden?
Danke für diesen aufschlussreichen Artikel!

Reply
    mail@stephanwiessler.de - 16. Juni 2016

    Natürlich ist das Bestreben des Narzissten positiv. Das heißt aber noch lange nicht, dass es eine gute Lösung ist.

    Beste Grüße,

    Stephan Wießler

    Reply
Anne - 31. August 2016

Danke Stephan, da waren so viele gute Punkte drin! Ich bin total froh, dass ich deinen Artikel gefunden habe. Liebe Grüße!

Reply
    mail@stephanwiessler.de - 31. August 2016

    Danke Dir, Anne! Schön, wenn er Dir weitergeholfen hat.

    Beste Grüße

    Reply
gottfried gisha - 3. September 2016

lieber stephan ,

habe die deutung und beschreibung des narzismus aufmerksam gelesen ,
ja bin selbst davon betroffen und sehr vom narzismus geprägt bin . es hat
mir geholfen , und ist mir eine grosse hilfe eine änderung in meinem ver –
halten und fühlen sowie die minderwertigkei abzustellen .
habe denn kurs ja bei dir bestellt und hoffe mit deiner hife das denken und
fühlen , nicht nur auf mich zu beziehen . “ danke „

Reply
    Christian - 18. Juni 2017

    Hallo,

    wenn es so einfach wäre…

    verschiedene Ansätze treffen meiner Meinung nach ins Schwarze, zb bezogen auf die Gefühle, nur leider ist dies ein sehr weiter Weg, um wirklich frei zu werden….
    das Märchen vom Eisenofen von den Gebrüdern Grimm beschreibt erstaunlich genau, wie eine solche Reise des Scheinmenschen, eines narzistischen Menschen, der anders sein will, um ua geliebt, angenommen und wertgeschätzt zu werden, aussehen kann.
    Jemand, der eine Rolle spielt, ja spielen muss, weil er so tief verletzt wurde, der seine wahren Bedürfnisse und Gefühle nicht kennt, weil sie tief in dieser Wunde verborgen liegen. Und hier liegt auch die Krux mit der Verletzlichkeit, weil jede Kritik in diese Wunde zielt, so dass zb der erste Ratschlag nicht funktioniert, da man emotional immer an seinen Schmerz erinnert wird. Dies nur gedanklich zu arrangieren wird den Emotionen nicht gerecht, die tief im Innern Wahrheit sind.
    Nur eine ehrliche, geduldsame, liebevolle Konfrontation heilt diese Wunde.
    Es ist dies aus eigener Erfahrung eine lange Reise zu sich selbst, vom Scheinselbst zum wahren Selbst, dies mit 5 „Ratschlägen“ abzutun funktioniert nicht.
    Ich wünsche uns mehr Mut zu heilsamen Wahrheiten, weg von scheinbar schnell wirkenden „Pillen“. Es ist nicht alles in dieser kurzlebigen Welt schnell zu erreichen. Leider wird uns dies oft vorgegaukelt.
    Wer das Märchen liest und versucht zu verstehen, wird sehen, dass die Prinzessin symbolisch für den weiblichen Teil in uns, die Gefühlswelt sozusagen eine lange Reise zurücklegt bis sie den Prinzen wieder findet, und sogar die Trauernächte durchhält, um ihn wirklich in den Armen zu halten.
    Es lohnt sich in jeder Weise, diese Reise anzutreten, den Mut aufzubringen, sich zu suchen, seinem Schmerz zu stellen, sich selbst zu finden.
    So war es gedacht, so sollte es sein, ein Leben, wie es unvorstellbarer nicht sein könnte, man selbst sein, in einer Welt, die einen immer wieder zu jemand anderm machen will ……

    So sein
    So musst du sein, sagt man…

    So, wie ich dich will,

    ich bin die Gesellschaft, deine Eltern, dein Freund, dein Chef, wer auch immer,
    ich bin ein Lügner, die falsche Stimme,
    der zu gehorchen einfach ist, aber falsch und gefährlich,
    viele erkennen dies erst am Ende.

    Kalkulierbar, manipulierbar, unterwürfig, voll Angst,
    selbstverloren, selbstlos, ohne dein Selbst je gekannt zu haben,
    selbstlos, ohne Bezug zu deinen wahren Gefühlen,
    sie unterdrückend, manipulierend, haschend in ein Bild zu passen, das man dir gab und gibt.

    Sei schlank und reich, sei sparsam und schön, sei lieb und brav, sei ein Freund und Helfer,
    sei intelligent und empathisch, sei dabei und funktioniere, sei gesund und jung,
    sei Licht und stark, sei ein Mann und keine Memme, konsumiere,
    sei hipp und cool, sei modern und in, sei aber immer so, wie ich denke, dass du sein musst.

    so liebe ich dich, als mein Opfer, mein Mittel, als Spielball meiner Welt,
    als Hamster meines Käfigs, als Kind meiner Launen, als Abfalleimer meiner Gefühle und schlechten Stimmungen, als Helfer mit Syndrom, als Mittler meines Lebens, als Ausdruck meines Schattens,

    Nur so bist du:
    geliebt, bist du anerkannt, gesehen, ok und dabei, einer von uns,
    nur so bist du überhaupt wer,

    nur nicht eins: DU.

    (c) Jesusfreak

    Reply
      Monika - 3. August 2018

      Wunderschön, was du geschrieben hast

      Reply
Eric - 15. September 2016

Lieber Stephan,

Ein wahrhaft tiefgehender Text, jedenfalls für einen Narzisten.
Ohne Angriff gehst du sehr bewusst von einem Punkt zu anderen.
Zudem gefallen mir die Auswege die ein Narzist hier finden kann, ausser die des Experten oder Fachmanns, da wird wohl jeder Narzist nein danke sagen.
Auch ich habe mich gerade vor kurzem mit dem Thema beschäftigt und festgestellt, das die meisten Handlungen darauf aufgebaut waren, mir selbst zu dienen. Nun habe ich mich davon befreit, soweit wie man das eben kann und lebe sehr ruhig und gelassen.
Ein Kollege von mir wird sicher dem Text gerecht, ich bin mal so frech und schicke deinen Newsletter weiter?
Vielen Dank für die Zeit die du da hinein gesteckt hast, super Ergebnis und absolut nachvollziehbar….auch ohne Doktortitel ?
LG Eric Gielow

Reply
    mail@stephanwiessler.de - 15. September 2016

    Danke Eric,

    schön, wenn meine Arbeit nutzt! Dir viel Freude mit Deiner Ruhe und Gelassenheit!

    Beste Grüße

    Reply
Monika - 3. August 2018

Gerade sich damals als Kind in andere (die gestörten Bezugspersonen) hineinversetzen zu müssen, hat ja erst den Narzissmus begründet… also ist das der falsche Rat… man darf sich als in der kindlichen Persönlichkeitsentwicklung gestörter Mensch jetzt einmal auf die eigenen Bedürfnisse konzentrieren… es reicht zu wissen, dass andere Menschen andere Bedürfnisse haben, aber die dürfen sie selber einfordern, das ist niemandes anderen Aufgabe…
Und ich muss auch niemandem „etwas Gutes tun“, so ein Quatsch… einfach sich nicht einmischen und nicht übergriffig werden, das ist das Kennzeichen eines gesunden Menschen…
Und bitte kannst du aufhören, einwn Narziszen so hinzustellen, als würde er die Verkrümmungen seiner Persönlichkeit absichtlich machen und als wäre nicht auch er ein Opfer dieser Dynamik… sonst entlarvst du dich nämlich als unempathisch und der Entstehung dieser Störung unkundig…

Reply
    Sabrina K. - 27. Juni 2020

    Danke, seh ich auch.Klar ist narzisstisches Verhalten für einen selbst und andere ungesund.trotzdem findet sich kaum Verständnis für diese Störung. Niemand ist auf die Welt gekommen mit der Absicht,Narzisst zu werden.Es gibt, wie bei jeder anderen Störung auch,Gründe für die Enstehung. Die werden bei dieser Störung gern mal nicht beachtet.Narzissten sind böse,schlechte Menschen von denen man sich feenhaften sollte.So ist die allgemeine Meinung.Das Leid dahinter sehen nur wenige.Ich habe selbst meinen Narzissmus vor einer Zeit entdeckt und es ist unglaublich schmerzhaft.Ich würde alles darum geben, keine Narzissten sondern ein gesund entwickelter Mensch zu sein.Eine ÜBERLEBENSstrategie einfach fallen zu lassen ist nicht leicht.

    Reply
      mail@stephanwiessler.de - 29. Juni 2020

      Danke für Eure Kommentare. Es tut mir leid, wenn ich Menschen mit dieser Persönlichkeitsstörung Unrecht tue. Das war nicht meine Absicht. Denn da gebe ich euch Recht: Irgendwo kommt es immer her.
      Mir ging es darum, vor allem auf Lösungen hin zu arbeiten. Und ich wünsche jedem, der davon betroffen ist, dass er seinen Frieden damit findet. Vielleicht konnte ich ja einen kleinen Teil dazu beitragen.

      Reply
Sven - 7. Mai 2019

Danke Stephan für Deine Bemühung.

Alles ist Spiegel. Die ganze Welt.
Auch Du und Ich.
Der Weg zur Erkenntnis des eigenen Narzissmus führte für mich über die Entdeckung desselben in den wundersamen, anstrengenden, selbstschädigenden Verhaltensweisen der anderen, auch meiner Kinder.
Die sind fast immer Spiegel für die Eltern.
Danke für das Spiegelbild – Bitte verzeiht mir meinen Anteil daran.

Das hawaianische Ho’oponopono fühlt sich hier gut an:
Es tut mir leid.
Bitte verzeih mir.
Ich verzeihe Dir – in mir.
Ich liebe Dich – in mir.
Danke.

Was als erstes fallen muss, sind die Wertungen. Jeder „Böse“ ist ein armes Würstchen. Auch ich.
Letztlich habe ich nur das tiefste, wirkliche eigene Bedürfnis NICHT erfüllt.

Als Zweites: Die Schuldzuweisungen.
Es sind in Wirklichkeit unsere Aufgaben. Danke dafür. Auch wenns hart ist.
Als Drittes: Die Selbstverurteilung.
Ein Grund zur Selbstachtung ist der gegangene Weg: Erkenntnis, Annahme und Bearbeitung des eigenen Narzismus.
Die folgende Arbeit in kleinen Schritten habe ich für mich so notiert:
– die schmerzhaften Verletzungen wahr- und annehmen.
– die wirkliche eigene Bedürftigkeit sehen, zuordnen, akzeptieren, heilen.
– alles bisherige Streben, Handeln, Entscheiden, Fühlen, Erwarten und Sein daraufhin prüfen und demaskieren
– die Lichtseiten begrüßen und mit wirklicher Selbstliebe erfüllen
– die Schattenseiten beleuchten und dann langsam als überflüssig geworden zurücklassen.

Vor der erwartungsfreien, selbstlosen Liebestat steht das Lindern der eigenen Not, Sorgen für die eigene Bedürftigkeit.
Dann folgt wohl die Übung: tätig werden, wo nichts zu erwarten ist.

Auf einem Küchentuch meiner Großmutter stand dieses schlichte Gedicht, was sich mir 45 Jahre später erst vollends erschließt:

„Ist Deine Seele
von Undank wund,
mach sie mit Hacke
und Schaufel gesund.
Ein Stückchen Erde,
mit Liebe bestellt
gibt dir für immer
den Dank der Welt.“

Das Stück Erde ist überall. Es darf anonym bleiben.

Danach ists hoffentlich soweit, dass ich wirklich erwartungsfrei dienen kann.
Passend zur zweiten Lebenshälfte, wenn die erste der Selbsterfahrung, -entfaltung, – verwirklichung und -darstellung gewidmet war…

Jedem Mutigen wünsche ich Kraft und Liebe für den heftigen Weg.
Jedem anderen wünscheich den Mut.

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